Ich fahre, also bin ich

Autonomes fahren ist in aller Munde, die meisten Hersteller sind aber eher zurückhaltend. Einzig Tesla ist innovativ, mutig oder dumm genug mit seinem „Autopilot“ vorauszupreschen und hat bereits einige Unfälle, viele beinahe-Unfälle und bereits  Todesopfer gefordert.

Im ersten Fall, weil das hauptsächlich kamerabasierte System unter schwierigen Lichtbedingungen einen querenden Lastwagen (was softwareseitig noch nicht unterstützt wurde) fälschlicherweise als Schild erkannt hat. Mobileye, der Hersteller der verwendeten Bildauswertungsplattform im Fahrzeug wies die Schuld von sich und beendete die Zusammenarbeit mit dem Automobilhersteller. Wohl aus Selbstschutz, denn auch andere Hersteller verwenden deren Systeme für Assistenzsysteme.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat zumindest dem System im Model S als eine „erheblich Verkehrsgefährdung“ (keine Primärquelle gefunden) bezeichnet. Einfach mal die Zusammenfassung hinter dem Link lesen, das reicht. Man muss dazu sagen: der Verkehr in den USA ist sicherlich anders, Highways sind langsamer und zusätzlich sind die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Fahrzeugen sicher niedriger. Bei fehlender Straßenmarkierung einfach dem Vordermann folgen (und bei dessen Einscheren nach dem Überholen das Fahrzeug nebenan abdrängen/rammen) ist allerdings mehr als stümperhaft.

Zumindest hat Tesla den Namen für sein System relativ gut gewählt: „Autopilot“, nicht „Auto(nomous)drive“. Ein Autopilot in der Avionik sorgt in aller Regel für eine stabile, gerichtete Fluglage und Kurs, nimmt dabei aber keine Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer. Er nimmt den Piloten zwar Arbeit ab, ersetzt sie aber nicht. Obwohl die Systeme mittlerweile auch das Landen übernehmen können, müssen die Piloten aufmerksam bleiben, überwachen und wenn es sein muss eingreifen. Wie würden Passagiere reagieren, wenn sich so etwas im Cockpit abspielen würde?

Wie Piloten dürfen auch Benutzer des stark ausgebauten Fahrerassistenzsystems nicht die Aufmerksamkeit auf das Verkehrsgeschehen verlieren.

Das ist schwierig und verlangt umdenken. Ich war zwar noch nicht in einem so stark automatisierten Fahrzeug unterwegs, allerdings in welchen, die bei denen man auf der Autobahn schon fast loslassen könnte: Abstandsgeregelter Tempomat, Spurhalte- &  Seitenassistent, Schildererkennung und den ganzen anderen Schnickschnack.

Solange man sich auf der Standardautobahn in halbwegs absehbaren Situationen befindet, super entspannt und man fühlt sich sicher. Die einzige Frage, die ich mir mittlerweile stelle: wie gut ist die Illusion?

Der Abstandsregelautomat bremste mich aus, als in einer langgezogenen Linkskurve das vorausfahrende Fahrzeug links abbog (und deutlich langsamer wurd). Für die hinter mir  muss ich wohl wie der dümmste Fahrer aller Zeiten gewirkt haben. Die Straße frei, und der Vollpfosten in der dicken Karre bremst. Für das Radar war das aber plausibel, weil der Verkehrsteilnehmer noch vor mir war.

Die nächste, schon öfter erlebte Situation: Spurhalteassistenz in Baustellenbereichen mit gelben und weißen Markierungen und nicht optimale Sicht. Das Auto wollte den weißen Spuren folgen. Mein Lenkeingriff war noch nicht grenzwertig aber doch unangenehm. Mittlerweile mach ich das System in solchen Situationen aus – nur wenn es wirklich frei ist, mach ich etwas „thrillseeking“ – wird die richtige Spur diesmal erkannt? Nein. Ratsch. Auch spontanem Ausweichen (habe ich zum Glück noch nicht testen „dürfen“/müssen) wäre damit sicher ein „Spaß“: „oh, du verlässt deine Spur – moment, ich mach mal“. Blech oder im Zweifel Leben.

Von der Schildererkennung wurde ich immer wieder enttäuscht. Immer wieder wurden Aufhebungsszeichen nicht erkannt, Ortsschilder schon gleich gar nicht und das Display sagte 80 innerorts. Mit Verstand im Standby würde das immerhin 120 Euro und einen Punkt kosten.

Da ist mir der Seitenassistent noch am liebsten. Zumindest bei einer Marke. Ist ein anderes Auto im „Anmarsch“ und man setzt den Blinker, holt sich der Außenspiegel Aufmerksamkeit. Beim ersten Mal habe ich mich gewundert, wo denn der Blitzer stand. Ohne Blinker und Gefahr beim Ausscheren glimmen die LEDs nur. Sehr komfortabel, aber auch zuverlässig? Ich bin mir sicher, viele kommen irgendwann an den Punkt, an dem sie dem System sprichsprichuwörtlich blind vertrauen und keinen zweiten Blick wagen. Was, wenn in solchem Fall die Anzeige durch einen schlechten Kontakt ausfällt? Die Folgen können fatal sein.

Das waren jetzt nur drei ADAS-Systeme und auch nur eingeschränkt gültige Erfahrungen. Aber sie zeigen dass sie Aufmerksamkeit noch nicht ersetzen können.

Beim autonomen Fahren muss intensive Datenfusion stattfinden, sich einzig auf eine Informationsquelle zu verlassen wäre grob fahrlässig. Bliebe ein Blatt an einer Kamera kleben, wäre es plötzlich vorbei mit dem Selbstfahrer, genauso wie ein mitgenommener Vogel vor dem Radar. Auch können Sensoren ausfallen oder unbrauchbar Informationen liefern, wie GPS im Tunnel oder Kameras bei Nacht. Man darf aber au bei nicht außer Acht lassen, dass Daten bewusst oder unbewusst manipuliert werden können. Der übelste mir bekannte Fall ist, dass ein Sicherheitsforscher aus größerer Entfernung einem LIDAR ein Objekt in wenigen Metern Entfernung vorgaukeln konnte. Die Steinewerfer der nächsten Generation sind also mit Laptop und Laser bzw SDR unterwegs?

Zu den selbstgewonnenen Daten kommen noch (in aller Regel vorverarbeitete) Fremddaten: TMC, Karten (nicht umsonst haben sich die dt. Automobilhersteller zusammengetan und Here Maps gekauft) und X-to-Car-Kommunikation. Besonders letzteres dürfte meiner Meinung eine erhebliche Rolle spielen, um Verkehrs- und Streckendaten auszutauschen und dem Blechfahrer genügend Informationen für die Fahrt zu geben. Das Problem ist hier sicher das flächendeckende Vorhandensein entsprechender Kommunikationspartner, denn Weitblick und Urteilsvermögen ist etwas, das man Software nur nur sehr schwer beibringen kann.

Eine Firma, die sich in letzter Zeit intensiv mit Supercomputing beschäftigt, möchte autonomen Fahren auf Basis von künstlicher Intelligenz bzw. deep learning entwickeln. Das Problem ist hier sicherlich, dass das Verhalten nicht wie bei konventionellem Quellcode durchblickt werden kann. Zwar lässt sich das Verhalten durch Simulation bzw. Stimulation erfassen, man bekommt allerdings ein Beobachterproblem: alle möglichen Konstellationen können faktisch nicht abgedeckt werden. Zudem: was, wenn der KI (un-)absichtlich schlechtes Verhalten beigebracht wird? Oder was, wenn Visionen aus Hollywood Wirklichkeit werden und der „Ghost in the machine“ Menschen als Gefahr ihrer selbst erkennt? Nicht, dass ich neuronale Netze grundsätzlich für schlecht halte, es ist tatsächlich ein extrem interessantes Feld – nur habe ich ehrlich gesagt kein gutes Gefühl, mein Leben in die Hand eines künstlichen Gehirnes mit der Intelligenz eines 2-3-jährigen Kindes zu legen.

Auch bei den klassischeren entwickelten Systemen hätte ich als „fahrtüberwachender Passagier“ ein Problem: Man weiß nie so genau, was das Auto in seiner Umgebung erkannt hat, siehe meine ADAS-Erfahrungen von oben. Um ein besseres Gefühl zu haben, würde ich gerne wissen, was das Fahrzeug im „sieht“ und was es für die nächsten Sekunden plant. Die hierfür benötigten Daten sind vorhanden, eine entsprechende Visualisierung habe ich schon gesehen – aber nicht im Produkt für Kunden. Ich vermute, dass dies die Kontrollfunktion der Benutzer verbessert und eine bessere Akzeptanz bringen kann, da vermutlich viele um Kontrollverlust und ihre Sicherheit bangen.

Zum Thema Sicherheit (im Sinne von Safety) gab und gibt es eine von vielen noch nicht beantwortete ethische Frage: Darf man per Software entscheiden, wer bei einem unvermeidlichen Unfall stirbt? Das Szenario geht immer in die Richtung: Ein Fahrzeug fährt autonom, ein Kind rennt auf die Straße. Links ist eine ältere Person, rechts eine Mauer. Geradeaus weiter und das Kind stirbt. Links ausweichen bedeutet den Tod der älteren Person. Ein Manöver nach rechts würde zwar die die beiden Passanten retten, aber die Insassen opfern. Die Robotergesetze funktionieren hier leider nicht. Es gibt verschiedene Vorschläge, von Statistik (wer hat die besten Überlebenschancen) über Philosophisch und ethisch bis zum Zufallsprinzip. Einzig Mercedes hat sich (meines Wissens) bis jetzt klar für den Insassenschutz ausgesprochen und opfert schwächere Verkehrsteilnehmer. Würde sich auch schlecht im Kleingedruckten einer Broschüre lesen: „In Ausnahmesituationen kann die Software unseres autonomous drive Ihren Tod herbeiführen, um das Leben anderer Verkehrsteilnehmer zu schützen“.

Der wahrscheinlich einzige Schritt, autonomes Fahren möglichst sicher und effizient zu machen, wäre den Menschen komplett aus dem Verkehrsgeschehen herauszunehmen. Würden Computer alle unsere Fahrzeuge lenken, könnten sie sich durch Vernetzung und Determinismus vermutlich zu einem perfekten Fortbewegungsmittel entwickeln. Vielleicht. Wenn wir es wollen.

Keyless, bequem und weg.

Vor einer Weile hatte heise den Artikel „Keyless gone“ in der c’t. Neu war mir die Thematik zu dem Zeitpunkt nicht. Leider.

Vor einiger Zeit wurde der SUV unseres Nachbarn heimlich still und leise vom Hof gefahren. Gemerkt wurde es erst, als es zu spät war. Obwohl ich im Schlaf relativ geräuschempfindlich bin (und auch öfter vom Öffnen ihres Tores aufgewacht bin), war in der Nacht nichts. Der Großstadt-Panzer war weg und ward nie mehr gesehen.

Eine Weile später hatte ich leihweise ein nicht ganz schlecht ausgestattetes Fahrzeug übers Wochenende, eben auch mit diesem System. Leider war die Karre zu groß für die Garage, also blieb sie vor dem Haus stehen. Normalerweise ist Abends am Wochenende tote Hose in der Straße, doch genau an dem Abend hielt ein Fahrzeug direkt von unserem Haus, das mir durch Zufall aufgefallen ist. Nachdem es eine Weile dort stand, hab ich einfach mal rausgeschaut. Insassen: 2 Männer mittleren Alters, die abwechselnd und emsig zum Handy griffen. Das Kennzeichen konnte ich bis auf die ersten zwei Zeichen nicht richtig lesen, vom Schriftbild war es kein deutsches. Nachdem das Fahrzeug sehr langsam davon rollte, ging bei mir der Adrenalinpegel nach oben.

Die Polizei konnte aufgrund des fehlenden Tatbestandes (verständlicherweise) nichts machen, hat aber gesagt, dass sie patrouillieren (was sie dankenswerterweise auch gemacht haben) und ich versuchen sollte, es sicher unterzustellen. Wurde auch getan. So richtig wohl war mir trotzdem nicht.

Auch wenn es mich interessiert hätte, ob es einen weiteren Besuch auf Nimmerwiedersehen gegeben hat, war ich aufgrund einer Feier am Tag zuvor zu müde, um mich auf die Lauer zu legen.

Da ich in der Branche unterwegs bin, habe ich in der Arbeit mal gefragt, ob es seitens der Hersteller Interesse darin besteht, Diebe und deren Werkzeuge durch einen Honeypot dingfest zu machen, kam die Antwort: nein, kein Interesse.

Nachdem Mercedes Benz heute die neue E-Klasse vorgestellt hat, und der lokale Händler nur zwei Häuser von meinen Eltern ist, die ich besucht habe, bin ich kurz vorbei. Ohne den Transponder hat in dem Schiff (außer der Anzeige, dass der Schlüssel fehlt) nichts funktioniert – nicht einmal das Radio konnte man einschalten. Nachdem der Händler den Schlüssel brachte, habe ich ihn darauf angesprochen, ob sich bei der Sicherheit schon etwas getan hat. Seine Antwort war sinngemäß, dass er es für nahezu unmöglich hält. Zudem sei es ja illegal und mit großen kriminellen Energien verbunden, so ein System zu umgehen. Aber er sei kein Informatiker [sic] und kann deswegen auch nicht mehr sagen. Der offizielle Sprech ist aber, dass – sofern man beide Schlüssel aber kein Auto mehr hat – der Verlust von der Kasko abgedeckt ist.

Ehrlich gesagt: Unsinn. Alleine durch die Messung der Laufzeit könnte man die wohl am häufigsten angewendete Repeaterattacke (das passende Kuchenblechmafia-Video aus Frontal verlinke ich nicht) mit großer Sicherheit abwehren. Weitere Methoden (aber sicher nicht alle) sind auf Wikipedia zu finden.

Warum wurde das bis jetzt noch nicht gemacht? Ich denke: es funktioniert ja und eine Neu- bzw. Weiterentwicklung kostet Zeit und Geld. Ein gestohlenes Auto kostet dem Hersteller erst einmal nichts, sondern bringt eher Umsätze ein. Dazu kommt, dass momentan wohl noch kein Hersteller etwas sichereres hat. Folglich: kein Handlungsbedarf, solange es von keiner Stelle was auf den Deckel (siehe „Dieselgate“) gibt. Auch wenn aktuell schon an einem Nachfolgesystem gearbeitet wird, Automotive-Entwicklungen dauern. Vor allem das Überprüfen auf Tauglichkeit in der rauen Umgebung ist nicht zu unterschätzen.

Obwohl es sehr bequem wäre, habe ich mich bei meinem neuen Auto bewusst gegen diese Komfortfunktion entschieden. Wobei mein Fahrzeug für Diebe sowieso uninteressant wäre 😉