Heute vor 80 Jahren fand der erste Einsatz einer Atomwaffe statt.
Eine Waffe, die sich meiner Meinung nach nicht nur gegen eine Kriegspartei, eine Nation, die Menschen dort, sondern auch gegen die gesamte Menschheit richtet.
In diesem Augenblick am 6. August 1945 um 8:16 wurde der Großteil des Stadtgebietes dem Erdboden gleichgemacht.
In diesem Augenblick wurden 70000 Menschenleben ausgelöscht.
Den Schätzungen zufolge starben 70000 Weitere noch im selben Jahr an den direkten Folgen, die Zahl der Opfer durch Langzeitfolgen steigen bis heute.
„Das war nun eben Krieg“ könnte man sagen. Mit der zeitlichen Distanz und leider immer wieder und noch immer stattfindenden Konflikten könnte man dazu neigen, das Ereignis zu relativieren. Aber: Wir dürfen weder relativieren noch vergessen. Nicht nur aufgrund der Vergangenheit hier in Deutschland und der damit verbundenen Erinnerungskultur, sondern die gesamte Menschheit trägt die Verantwortung, dass dieses Ereignis nie vergessen und nie wieder geschehen wird.
Um es etwas persönlicher zu machen: Ich war dieses (2025) Frühjahr in Japan, nach längerem Hin und Her habe ich Hiroshima in die Reiseroute mit aufgenommen. Um es zeitlich etwas einzuordnen, während der Reiseplanung gab es in der politischen Diskussion eine Debatte darüber, ob sich Deutschland nukleare Waffen anschaffen soll – natürlich „nur zur Abschreckung“.
In der Planung habe ich etwa einen Tag für den Friedenspark vorgesehen und mich schon darauf eingestellt, dass ein Kloß im Hals sitzen wird. Schließlich weiß man – auch wenn ich im Geschichte-Unterricht weniger interessiert war – was dieser Ort bedeutet.
Angekommen am wohl bekanntesten Denkmal, das am Nordende des Friedenspark liegt, setzte neben der Faszination (wenn man es so nennen mag), auch ein eher bedrückendes Gefühl ein, obwohl es heute ein sehr friedlicher und ruhiger Ort ist. Es ist der Atomic Bomb Dome, dessen ursprünglicher Zweck ein Ausstellungsort für Handelswaren der Präfektur war und heute das nördliche Ende des Friedensparks markiert.

Hier, bzw. knapp 200 Meter weiter östlich brachte am besagten 6. August 1945 in knapp 600 Meter Höhe „Little Boy“ die Hölle auf die Erde.
Der Friedenspark ist ein bisschen wie eine Insel in der Stadt, weitläufig offen angelegt und beherbergt verschiedene Denkmäler und Gedenkstätten. Das Museum, das neben der Geschichte um das Ereignis auch viele zeitgeschichtliche Artefakte und auch Schicksale zeigt, bietet auch Raum für Begegnungen.
Beispielsweise sind originale Steinplatten ausgestellt, in denen sich die Schatten der Umgebung, auch auch derer der dort anwesenden Menschen eingebrannt dauerhaft eingebrannt haben, aber auch Gläser, die in dem kurzen Moment der Explosion angeschmolzen wurden, aber auch massiven Stahlträgern, denen ähnliches geschah. Von den Berichten über die Opfer ganz zu schweigen.
Was ich allerdings nicht, oder nur sehr zwischen den Zeilen „lesen“ konnte, war direkte Vorwürfe oder Kritik gegenüber dem Amerikanern (mehr dazu später). Man konnte sogar behaupten, dass sich das Museum – mal die die japanischen Zurückhaltung und Höflichkeit zur Seite gelegt, Wert darauf gelegt hat, die Rolle Japans nicht übermäßig als Opfer darzustellen. Ich möchte an dieser Stelle keinen unangemessene Vergleich anstellen, wer allerdings in China das Museum zum Massaker von Nanjing besucht hat: dort ist die Darstellung und Differenzierung von Opfern und Tätern sehr eindeutig.
Ein Stück weit wird die Interpretation sicher auch den Besuchern überlassen. Ich habe mitgenommen: kurz nach dem Abwurf kamen die Amerikaner um die Auswirkungen zu begutachten, zu dokumentieren und Proben zu nehmen. Interesse in Richtung Zivilbevölkerung bestand nach der Darstellung nur darin, Untersuchungen durchzuführen und Datenpunkte zu erfassen. Selbst vor vor und nach der Geburt gestorbenen Säuglingen wurde nicht halt gemacht – diese wurden (wenn ich mich richtig erinnere) für Untersuchungen „einbehalten“.
Es ist mir schwer gefallen, das vernünftig in Worte zu fassen. Was jedoch hängen geblieben ist: „Was für eine Monstrosität“.
Neben dem Museum gibt es ein Erinnerungszentrum. Architekturell kann man es mit den Worten „wenn man die Uhr zurückdrehen könnte“ einleiten. Man geht ins Untergeschoss und kann sich dort anhand eines Panoramas einen Eindruck der zerstörten Stadt machen. Im weiteren Verlauf kann man sich Namen, Fotos und Familien der Opfer ansehen, deren Geschichte nachlesen oder sich eine Film ansehen. Um ehrlich zu sein: ich musste den letzten Teil übersprungen. Gerne hätte ich Berichte gelesen und Hintergründe erfahren – der Kloß im Hals war allerdings zu groß, die Tränen zu nah. Puh.

Bei einer Führung durch eine der Volunteer Guides ging es zu den verschiedenen Stationen im Park. Eines der bekannteren dürfte das Sadako Sasaki gewidmete Kinder-Friedensmonument sein, in dem jedes Jahr unzählige Origami-Kraniche aufgehängt werden, die sich im Übrigen auch an verschiedenen Orten der Stadt in ganzen Trauben wiederfinden.
In der Nähe dazu befindet sich ein eher unscheinbare Grashügel, unter dem sich allerdings die Aschen von 70000 Opfern befinden. 70000 Menschen. Puh, auch hier fiel das Atmen schwer.

Der vermutlich bekannteste Teil des Parks, der auch zur diesjährigen Zeremonie in den Nachrichten hierzulande zu sein wird ist das Kenotaph vor dem großen Wasserbassin. Der Blick durch den/das Kenotaph bildet eine Linie über die ewige Flamme hin zum Atomic Bomb Dome.
Im Kenotaph befindet sich die Liste aller bis heute verstorbenen Opfern. Auf dem Stein befindet sich eine japanische Inschrift, die nach der Übersetzung „Lasse alle Seelen hier in Frieden ruhen, denn wir werden das Böse nicht wiederholen“ bedeutet.
Laut unserem Guide lässt sich diese allerdings nicht richtig in andere Sprachen übersetzen. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, kann (vereinfacht gesprochen) im Japanischen der Adressat einer Nachricht weggelassen werden, somit (und hier ist der Verweis von weiter oben) wird weder das Wer noch das Was direkt angesprochen. Ein Appell an uns als Menschheit.

Was ich für mich an der Stelle mitgenommen habe: „Niemals wieder. Niemals vergessen.“
Die ewige Flamme wird von einer Betonstruktur gehalten, die zwei zusammengelegte Hände darstellen. Die Flamme soll an dem Tag erlischen, an dem alle Atomwaffen von der Erde verschwunden sind. Bleibt zu hoffen, dass dieser Tag jemals erreicht wird.
Einer der laut Guide weniger beachteten Orte im Friedenspark ist das Monument zum Gedicht von Sankichi Toge, das meiner Meinung die Verzweiflung und Wünsche der Menschen damals und vermutlich noch bis heute gut beschreibt:

Der Wasserbassin und der Brunnen stehen für die „Mizu kudasai“-Rufe der Opfer nach Wasser, die jedoch von den anderen überlebenden nicht erfüllt werden konnten. Sehr eindrücklich hierfür waren auch die Überlebendenberichte, die zu bestimmten Zeiten im Museum präsentiert werden, mittlerweile aus verständlichen Gründen aus zweiter Hand. Als ich dort war, wurde die Geschichte der Zeitzeugin Namjoo Park erzählt, einer Koreanerin, die den Atombombenabwurf als Schulkind erlebte. Eine der vielen Geschichten, die nicht vergessen werden darf.
Um noch einmal auf den Anfang zurückzukommen: mich hat es an jedem der vier Tage, in denen ich in Hiroshima war, in den Friedenspark gezogen – und um ehrlich zu sein, abends im Hotel hat es mich nicht nur einmal „gerissen“. Der Ort, die Geschehnisse gehen mir auch jetzt noch, beim Schreiben dieses Blogposts, nah.
Es gäbe noch vieles weitere zu erzählen und ich hoffe, einen einigermaßen passablen Eindruck vermittelt zu haben – mich hat dieser Ort abgeholt, mitgenommen und mich in der Überzeugung geprägt: Jeder, der nukleare Waffen befürwortet, toleriert, darüber entscheidet oder Einfluss darauf nimmt und/und etwas über Menschlichkeit lernen möchte, sollte diesen Ort besucht und verinnerlicht haben.
Abschließend kann ich kann nur wiederholen: Niemals wieder. Niemals vergessen.






